Chronik – Musikverein Nöthen

 

Von den kirchlichen und weltlichen Festfeiern eines Eifeldorfes ist die Mitwirkung der Musikkapellen nicht wegzudenken. Meist traf sich eine Gruppe junger Musikinteressierter, die beschlossen, eine Blasmusikkapelle zu gründen, um so die Dorffeste verschönern zu können. Der Musikverein Nöthen jedoch entstand nicht auf Grund eines solchen Gründungsbeschlusses. In den zwanziger Jahren gab es einige junge Männer von Nöthen, Hohn und Gilsdorf, die aktiv Mitglieder in benachbarten Musikkapellen waren. So spielten die Schüler Jakob Kolvenbach (seit 1922) und Jakob Lückerath (seit 1925) in der Euterpe des St.-Michael-Gymnasiums zu Münstereifel. Die Belegschaft der Arloffer Thonwerke hatte eine eigene Musikkapelle, in der Josef Kastenholz, Karl Esser und Peter Zimmermann aktiv mitwirkten. Von diesen fünf Gründungsmitgliedern lebt nur noch Jakob Kolvenbach.

 

Zu musikalischen Auftritten der wenigen Bläser kam es in Nöthen nur vor hohen Festtagen (Ostern, Weihnachten, Neujahr), wenn diese in der Nacht hoch vom Kirchturm herab den Feiertag einbliesen. Nicht selten bestieg mit ihnen der Beiermeister „Buse Patt“ mit seinem Assistenten Hubert Esser den Kirchturm, um zwischen den einzelnen Liedern der Bläser auch eine Strophe zu „beiern“. Er meinte dann stolz, so etwas habe der Kölner Dom noch nicht erlebt.

 

Seit 1927 nahm das Musizieren nun festere Formen an. Man spielte bei Dorfabenden und Veranstaltungen im neuhergerichteten Jugendheim. Manchmal lieh man sich einige Musikanten von der Kapelle in Lessenich aus, da in Nöthen kein Bassbläser vorhanden war. So wurde allmählich das Interesse der Nöthener Jugend geweckt. Viele traten der Musikgruppe bei, beschafften sich aus eigenen Mitteln ein Instrument, und dann fing die harte Arbeit an. Alle wollten natürlich Trompete spielen. Notenkenntnisse waren keine vorhanden. Zunächst wurden die Tonleitern geübt, um Ansatz zu bekommen und die Griffe kennen zu lernen. Dann kamen Kirchenlieder und auch leichte Volkslieder an die Reihe. Wie stolz waren sie alle, wenn sie bei der nächsten Probe ein solches Lied fehlerfrei vortragen konnten. Das berechtigte dann zum Mitmachen in der Öffentlichkeit. Da war zunächst die Teilnahme an der Fronleichnamsprozession und die Begleitung der Erstkommunikanten zur Kirche. Bei schönem Sommerwetter wurden die Proben an den Sonntagnachmittagen auf den Wiesen vor dem Dorf gehalten, wodurch viele Zuhörer angelockt wurden, die den Musikanten für die trockenen Lippen eine „Runde“ spendeten. Wie schon erwähnt, fehlte ein Bassinstrument und natürlich auch ein Bläser für dieses Instrument. Der damals noch sehr junge Peter Lückerath erwarb zu unser aller Freude ein Helikon. Da er Notenkenntnisse hatte und auch den Bassschlüssel beherrschte, meisterte er nach kurzer Übungszeit sein Helikon. Nun war die Kapelle komplett und konnte die Feste im Dorf mit eigenen Kräften gestalten.

 

Die Musikkapelle erhielt einen merklichen Aufschwung, als Kaufmann Heinrich Aufdermauer nach Gilsdorf zog. Er selbst war ein geübter Blasmusiker, hatte großes Geschick im Anlernen der jungen Bläser und brachte den richtigen Schwung in die Kapelle. Nun wurden auch Märsche und Walzer geübt, was für die Auftritte bei Dorffesten ja notwendig war (man konnte nicht nur Kirchenlieder spielen).

 

Von dieser Zeit an (1931) begleiteten die Musiker jedes Jahr die Fußwallfahrt der Pfarrgemeinde Nöthen nach Barweiler. Die Teilnahme an dieser Wallfahrt gehörte zu den schönsten Erinnerungen der vergangenen 43 Jahre. Sie war immer mit großen Strapazen verbunden. Es ist vorgekommen, dass die jungen Bläser nach der Hälfte des Weges (80 km) keinen Ansatz mehr hatten. Da schmerzte der Mund mehr als die Füße. Bei der Wallfahrt, an der auch Pfarrer Matthias Mauß teilnahm, waren alle Pilger wegen des heißen Herbstwetters sehr ermüdet. Da ließ Herr Pfarrer Mauß im Wald zwischen Wershofen und Antweiler die Musikanten in Reih und Glied antreten. Die Pilger mussten sich in Marschkolonne hinter den Musikern aufstellen. Zum Erstaunen aller sagte nun Herr Pfarrer Mauß: „Jetzt wollen wir einmal ein paar flotte Märsche spielen. Ich glaube, die gefallen dem Herrgott auch.“ Er schritt voran, und mit Marschmusik ging es durch den Wald. Das frohe Spiel hatte alle Müdigkeit vergessen lassen.

 

(Gruppenfoto um 1977 vor dem Pfarrhaus Nöthen)

 

Neuer Anfang

 

Mit dem zweiten Weltkrieg schien das Ende des Musikvereins gekommen zu sein. Eine große Lücke war in die Reihen der Musiker gerissen worden. Es war nicht abzusehen, ob die Kapelle wieder einmal zu neuem Leben erstehen würde. Auf Bemühungen von Herrn Pfarrer Scheuffgen und Herrn Bürgermeister Hubert Schick wurde Jakob Kolvenbach aus Hohn im Herbst 1946 als Lehrer an die Volksschule in Nöthen berufen. Die aus dem Krieg heimgekehrten Mitglieder der Musikkapelle beschlossen, trotz aller Schwierigkeiten neu zu beginnen und sich wieder unentgeltlich für Kirchen- und Dorffeste zur Verfügung zu stellen. Großen Zuwachs gab es von der Jugend. Als Übungsraum stand zunächst die Küche des Lehrers zur Verfügung, da die Schule zerstört war. Die Instrumente waren meist beschädigt. Man verklebte oder lötete die undichten Stellen, jedoch saubere Töne waren kaum zu erreichen.

 

Ein Gebirgsjäger aus Tirol hatte ein Nöthener Mädchen zur Frau genommen und blieb einige Jahre in Nöthen. Mit seiner Posaune musste er die Basspartien spielen (Peter Lückerath war noch in russischer Gefangenschaft). Der Gendarmeriemeister Reinhold Voigt wohnte in der alten Schule in Nöthen. Er war aktiver Militärmusiker gewesen. Er schloß sich zu unserer Freude der Kapelle an und gab manche Ratschläge und Anregungen für die Übungsarbeit. Er vermachte seine wertvolle Posaune dem Musikverein Nöthen.

 

Der erste Auftritt der „neuen Kapelle“ war im Juli 1947 beim Besuch des Hw. Herrn Weihbischofs Hünermann. Er sprach sich lobend darüber aus, dass die Nöthener Pfarrkinder ihn mit Musik vor dem Dorf empfingen und ihn in feierlicher Prozession zur Kirche geleiteten.

 

Das alte Bassinstrument war trotz aller Reparaturversuche nicht mehr zu verwenden. Aber woher sollte man das Geld für die Beschaffung eines neuen Instrumentes nehmen? Bürgermeister Hubert Schick wußte Rat. Er wollte die bisherige Arbeit des Musikvereins anerkennen und erlaubte den Musikern, aus dem Gemeindewald einige Fuhren Erlenholz zu schlagen und zu verkaufen. Der Erlös reichte aus, um eine richtige Tuba zu kaufen. Die Proben fanden nun in der aufgebauten Schule statt. An schönen Sonntagen wurde nach dem Hochamt auf dem Kirchplatz ein Platzkonzert abgehalten, woran die Bevölkerung sehr viel Gefallen fand. Nun gab es kein Kirchen- und Dorffest und kein Jubiläum mehr, das nicht von den Mitgliedern des Musikvereins musikalisch gestaltet wurde.

 

Man kann wohl sagen, dass die musikalische Harmonie gut war, aber besonders auch die kameradschaftliche Harmonie, ohne die eine Gemeinschaft nicht lebensfähig ist.

 

Seit 1970 hat Josef Feuser als Dirigent die Kapelle übernommen. Unter seiner Leitung wurde der Klangkörper wesentlich erweitert durch 4 Klarinettisten, 2 Es-Hornbläser und 2 Posaunisten.

 

Viel Arbeit machte sich der neue Dirigent mit der Heranbildung von 10 Jugendlichen, die später einmal das begonnene Werk fortsetzten sollen. Regelmäßige und zielstrebig durchgeführte Übungsstunden hoben das Leistungsniveau der Kapelle. Durch Konzerte in Bad Münstereifel (Freizeitwoche, Kirschenmarkt, Pfarrfest) und in anderen Orten hat sich der Musikverein einen guten Ruf erworben. Ein Dankeswort sei an dieser Stelle auch unserem alten Musikfreund Adolf Gliemann aus Bad Münstereifel gewidmet, der bei vielen Gelegenheiten sich zur Verfügung stellte und noch stellt.

 

Einen besonderen Höhepunkt aus der Vereinsgeschichte möchte ich noch hervorheben. Beim Stadtfeuerwehrfest von Bad Münstereifel in Nöthen spielte unsere Kapelle mit dem Tambourcorps Grün-Weiß von Bad Münstereifel den Großen Zapfenstreich auf dem Kirchplatz in Nöthen. Das war ein Erlebnis für die vielen hundert Gäste aus der Großgemeinde.

 

Seit etlichen Jahren hat Wilhelm August den Vorsitz des Vereins übernommen und führt ihn mit viel Einsatz. Sein persönliches Verdienst ist es, dass der Verein heute zahlreiche inaktive Mitglieder zählt, die es durch ihren Beitrag ermöglichen, neue Instrumente zu kaufen und die alten überarbeiten zu lassen. Zurzeit hat die Kapelle 27 aktive Mitglieder.

 

Dem Vorsitzenden Wilhelm August, dem Dirigenten Josef Feuser sowie allen Freunden und Förderern unseres Musikvereins sei an dieser Stelle sehr herzlich gedankt.

 

 

(Jakob Kolvenbach 1977)

  

   Umbruch und Aufbruch – Heutige Situation

 

Im Jahr 1995 gab Josef Feuser nach 25-jähriger Dirigententätigkeit den Dirigentenstab an Michael Schmitz weiter, dem er Jahre zuvor „die ersten Trompetentöne“ beigebracht hatte. Zusammen mit den langjährigen Vorsitzenden, Wilfried Kurth und Klaus Schmitz, dem stellvertretenden Vorsitzenden Peter Doppelfeld und dem Kassenwart Heribert Schick führte der neue musikalische Leiter die Geschicke des Vereins weiter. Altbewährtes wurde weitergeführt, neue Ideen wurden umgesetzt. Dabei strebten die Vereinsmitglieder – wie in der Historie des Vereins bereits erwähnt – neben der musikalischen Harmonie auch immer eine kameradschaftliche Harmonie an. In regelmäßigen Abständen wurden Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit ehrenamtlichem Engagement vereinsintern an Instrumenten ausgebildet. Sie waren z. B. durch einen „Musik-Schnuppertag“ für die Musikausbildung an einem Instrument interessiert worden. Stolz waren die neuen Mitspieler, als sie beim Martinszug in Nöthen zum ersten Mal „mit den Großen“ mitspielen konnten. Regelmäßige und zielgerichtete Probenarbeit half das Leistungsniveau der Kapelle zu steigern und sich – wie in der Vergangenheit – einen guten Ruf zu erwerben. Das 80-jährige Vereinsjubiläum wurde 2007 mit einem großen Musikfest gefeiert: nach dem feierlichen Hochamt in der Kirche spielten die befreundeten Musikvereine aus Kallmuth, Pesch, Keldenich und Bad Münstereifel beim „Tag der Blasmusik“ auf. Unter großer Beteiligung der Dorfbevölkerung wurde das erste Nöthener Musikfest seit 1993 zu einem großen Erfolg.

 

Besonders hervorzuheben ist die langjährige Mitarbeit des Musikvereins im Ortsverband Nöthen, dem Zusammenschluss aller Vereine des Ortes: viele Papiersammlungen, Erntedankfeste, Martinszüge, Nikolausfeiern und Seniorennachmittage sind gemeinsam angepackt und durchgeführt worden. Dass sich die Nöthener Vereine gut verstehen und gegenseitig helfen, wird nicht nur bei den vielen Ortsverbandssitzungen deutlich, bei denen auch das Lachen und die Geselligkeit nicht zu kurz kommt. Mit diesem Einsatz leistet das Gremium der Ortsvereine einen wichtigen Beitrag für den dörflichen Zusammenhalt, setzt Zeichen der Wertschätzung und wirkt in einem kleinen Bereich der Anonymisierung der heutigen Gesellschaft entgegen.

 

Viele Jahre war der Musikverein in den Proberäumen der alten Schule zu Gast – im Jahr 2015 konnten die neuen Proberäume im Nöthener Pfarrhaus bezogen werden. Ein Jahr später wurde auch die schon lange vorgesehene Eintragung des Vereins in das Vereinsregister vollzogen: der offizielle Name des Vereins lautet seitdem „Musikverein Nöthen gegr. 1927 e. V.“.

 

Wie in der Anfangszeit sieht es der Verein auch heute als seine Aufgabe an, sowohl die kirchlichen Feiern (Weihnachten, Kommunionfeste, Fronleichnam, Barweilerprozession, …) wie auch die weltlichen Feste des Dorfes (Kirmes, Jubiläen, Karneval, Vereinsfeste, Martinszug, private Feiern, …) musikalisch zu gestalten. Zahlreich sind die Auftritte außerhalb der Dorfgrenze: Platzkonzerte, Ständchen und Umzüge bei Mai-, Sommer- und Schützenfesten in der näheren und weiteren Umgebung gehören zum festen Terminkalender des Vereins. Ein besonderes Engagement hat der Verein in der Karnevalszeit entwickelt: seit vielen Jahren ist er beim Rosenmontagszug in Bonn dabei. Zu den Höhepunkten der Vereinsgeschichte zählen – noch unter Dirigent Josef Feuser – musikalische Reisen nach England und Frankreich.

 

Auch wenn die mit einem Generationswechsel verbundenen Schwierigkeiten an dem Musikverein Nöthen nicht spurlos vorübergegangen sind, hat der Musikverein zahlreiche neue Interessenten für seine Sache gewinnen können. Heute zählt der Verein über 30 aktive Mitglieder. Das musikalische Programm reicht von Musik für kirchliche Anlässe über ein umfangreiches Repertoire an traditioneller Volks- bis zu moderner Unterhaltungsmusik.

 

 

Michael Schmitz (2016)